Felix Mendelssohn-Bartholdy - Elias

Elias


Andrea Maronn - Sopran
Barbara Klumpp - Sopran
Marion Eckstein - Alt
Reginaldo Pinheiro - Tenor
Locky Chung - Bass

Ensemble Musica viva Stuttgart





                                                                                   Schwäbisches Tagblatt, 7. Dezember 2004

Solide Urgewalten

Der BachChor mit Mendelssohns Elias in der Stiftskirche

  TÜBINGEN (ach). Ganze drei Mal stand Mendelssohn Bartholdys "Elias" in den letzten anderthalb Jahren auf dem Tübinger Konzertprogramm (im Mai erst unter Wolfgang Gönnenwein). Dennoch hält die Beliebtheit des Oratoriums unvermindert an, denn die Stiftskirche war am Sonntag restlos ausverkauft.

  Der "Elias" hat - bei aller Eingängigkeit - seine Tücken: Man sollte keine Scheu vor seiner alttestamentarischen Wucht und melodienseligen Frömmigkeit haben, sondern sich beherzt hineinbegeben. An dieser Stelle distanzieren sich nicht wenige Ausführende oder brüllen über die heiklen Stellen einfach hinweg. Genau hier ist neben seinem soliden Handwerk die besondere Leistung des Tübinger BachChors nicht genug zu loben: Ein lebendiger Ausdruckswille fühlte sich mit aufrichtiger Emphase in jede Regung des Textes ein, durchlebte die Schrecknisse und Offenbarungen mit körperlicher Intensität.

  Dirigent Hanns-Friedrich Kunz entfesselte musikalische Urgewalten, die er souverän unter Kontrolle behielt. Gleich in der Einleitung wühlte das Ensemble musica viva Stuttgart expressiv den Klang auf, dass man den zerklüfteten Wüstenboden unter dem schwarzen Gewitterhimmel förmlich sehen konnte.

  Als sich der erste Choreinsatz anbahnte, war die Hochspannung der 150 Chorist(inn)en spürbar, dann donnerte das "Hilf, Herr" durch die Stiftskirche - monumental und erhaben, wie man es nie gehört hat. Wenn das abtrünnige Volk Baal anrief, dann war dies nicht, wie so oft, eine spöttische Karikatur, sondern zeigte Menschen in existentieller Angst.

  Vielgehörtes und vom Kitschverdacht Gefährdetes wie "Denn er hat seinen Engeln befohlen" inszenierten die rund 90 Frauen- und 50 Männerstimmen mit dankenswerter Unvoreingenommenheit als frei atmende Klanglandschaft. Locky Chung (Bass) war mit seiner prophetischen Stimmgewalt und plastischen Artikulation die ideale Besetzung des Elias, den Mendelssohn als "zornig und finster" imaginiert hat. Andrea Maronn (Sopran) gab der "Witwe" eine innig klagende Stimme mit dunkler Färbung, Marion Eckstein (Alt) zeichnete in Isebel mehr die gekränkte Herrscherin als die grausame Tyrannin und Reginaldo Pinheiro (Tenor) steigerte die Arie "Dann werden die Gerechten leuchten" zur gleißenden Apotheose.

  Mit über zwei Stunden Dauer kann der "Elias" oft lang werden - so aufregend war er noch nie.








Veranstaltungsort: Stiftskirche Tübingen | Datum: 05.12.2004